Meine Suche nach dem Göttlichen
Nepal, das Land der majestätischen Berge und tief verwurzelter Spiritualität, ist seit jeher ein Anziehungspunkt für Suchende aus aller Welt. Viele Reisende begeben sich dorthin, um eine tiefere Verbindung zum göttlichen Bewusstsein zu finden und die innere, schlafende Kraft, die als Kundalini bekannt ist, zu kultivieren. Meine eigenen spirituellen Reisen führten mich in dieses faszinierende Land, besonders in die heilige Umgebung von Kathmandu, wo der berühmte Tempel Pashupatinath thront. Dieser Ort strahlt eine uralte Energie aus und ist ein Zentrum, in dem die Schleier zwischen der sichtbaren und der spirituellen Welt besonders dünn erscheinen.
Hier in Nepal wird Yoga oft als eine Vorbereitung verstanden. Es geht nicht nur darum, den Körper fit zu halten, sondern ihn so zu schulen, dass man lange und ohne Ablenkung sitzen und meditieren kann. Diese körperliche und geistige Disziplin ist der Schlüssel, um die innere Erfahrung der Kundalini zu ermöglichen – einer gewaltigen Lebenskraft, die jeder Mensch in sich trägt. Es gibt viele Wege, diese Erfahrung zu machen, und die alternativen Methoden des Yoga, die in Nepal praktiziert werden, sind besonders tiefgründig und traditionsreich.
Kashmirischer Tantra und das göttliche Bewusstsein
Ein wichtiger und wenig bekannter Pfad, der in Nepal – und insbesondere in der Tradition des Kashmirischen Shivaismus – eine Rolle spielt, ist die Lehre des Kashmirischen Tantra. Im Gegensatz zu manchen populären Vorstellungen konzentriert sich diese Form des Tantra nicht auf die unteren Energiezentren. Vielmehr geht es um die Erkenntnis, dass alles im Universum reines göttliches Bewusstsein ist. Ein uralter Text, der diese Sichtweise besonders klar beschreibt, ist das Vijnana Bhairava Tantra. Dieses Werk ist ein wunderbarer Leitfaden, der 112 einfache Wege aufzeigt, um direkt in diese göttliche Wirklichkeit einzutauchen. Es lehrt uns, dass die äußere Welt und unsere innere Welt im Grunde eins sind.
Kundalini im ganzen Körper verteilen
Die Praxis des kashmirischen Tantra zielt darauf ab, die Kundalini – die ursprüngliche Energie des Bewusstseins – nicht nur stufenweise emporsteigen zu lassen. Stattdessen geht es darum, sie unmittelbar als eine überall vorhandene, pulsierende Gegenwart zu erleben und im ganzen Körper zu verteilen. Sie wird nicht als eine Schlange betrachtet, die mühsam aufsteigt, sondern als die Lebensfreude und das Schwingen des Universums selbst, das sich in jedem Augenblick offenbart. Das Erwachen der Kundalini in diesem Kontext ist oft ein sanftes, tiefes Erkennen der eigenen göttlichen Natur, das durch hingebungsvolle Achtsamkeit und das Zulassen des gegenwärtigen Moments geschieht. Diese Art der spirituellen Übertragung von Energie wird in manchen Traditionen auch als Shaktipat bezeichnet.

Die Begegnung mit meinem Shaktipaten im Pashupatinathtempel
Bhakti-Yoga – Der Weg der Hingabe
Neben den Übungen des Kundalini Yoga spielt der Weg der Hingabe, der Bhakti-Yoga, eine zentrale Rolle in der spirituellen Landschaft Nepals, wie ich sie besonders bei meinen Besuchen rund um Pashupatinath erleben durfte. Bhakti-Yoga ist der Weg der bedingungslosen Liebe zum Göttlichen. Hierbei geht es darum, das Herz zu öffnen und alle Gefühle, Gedanken und Handlungen der höchsten Kraft zu widmen. Diese Form des Yoga ist leicht zugänglich, da sie keine komplizierten Körperübungen erfordert, sondern lediglich eine tiefe, aufrichtige Haltung der Hingabe.
Für uns, die wir mit der christlichen Tradition vertraut sind, ähnelt Bhakti-Yoga dem Beten. Es ist das innige Gespräch mit Gott, das Singen von Lobliedern oder das Gefühl der Gottesliebe. Im Bhakti-Yoga wird diese Hingabe jedoch zu einer umfassenden Lebensweise. Man sieht das Göttliche in allem, in jedem Menschen, in der Natur und in jedem Augenblick des Lebens. Diese ständige Ausrichtung auf das Göttliche reinigt das Herz und ist ein extrem wirksamer Weg, um die innere Kundalini-Energie zu kultivieren. Die Freude und der Frieden, die sich durch Bhakti einstellen, sind ein deutliches Zeichen dafür, dass die Kundalini beginnt, sich im Inneren zu entfalten und zu verteilen.
Sanfte Kultivierung der Kundalini und die Rolle des Shaktipath
Der Prozess, die Kundalini-Energie zu kultivieren, wird oft als etwas sehr Dramatisches dargestellt, aber in den tiefen nepalesischen Traditionen, besonders abseits der kommerziellen Zentren, ist er oft ein sehr sanfter und innerlicher Prozess. Es ist ein stetiges Erwachen, bei dem die innere Kraft behutsam an die Oberfläche gebracht wird. Anstatt zu versuchen, die Kundalini mit Gewalt emporsteigen zu lassen, liegt der Fokus darauf, das innere System so rein und ruhig zu machen, dass die Energie von selbst auf natürliche Weise fließen und sich verteilen kann. Das Ziel ist nicht der „Aufstieg“, sondern die Verteilung der Kundalini im ganzen Körper, um eine ganzheitliche Transformation zu bewirken.
Ein besonderer und direkter Weg zur Kundalini-Erweckung, der auch in Nepal hoch geschätzt wird, ist der Shaktipat. Dieser Begriff beschreibt die Übertragung von Energie von einem erwachten Lehrer auf einen Schüler. Es ist, als würde ein Funke überspringen, der die schlafende Kundalini im Schüler sanft weckt. Dies ist keine Technik im üblichen Sinne, sondern eine Gnade, die nur durch die reine Absicht und das erwachte Bewusstsein des Gebenden möglich wird. Es zeigt, dass die Kundalini nicht nur durch jahrelange mühsame Übungen kultiviert werden kann, sondern auch durch die Liebe und die Energie eines anderen Menschen.
Die Essenz der spirituellen Erfahrung
Die Essenz meiner spirituellen Reisen in Nepal ist die Erkenntnis, dass die Kundalini-Energie nicht etwas ist, das man erreichen muss, sondern etwas, das man ist. Die verschiedenen alternativen Yoga-Methoden, von der tiefen Schau des Kashmirischen Tantra bis zur Herzenswärme des Bhakti-Yoga in den Tempeln wie Pashupatinath, sind lediglich Wege, um uns an diese innere Wahrheit zu erinnern. Sie bieten uns die Werkzeuge, um das göttliche Bewusstsein im Alltag zu leben.
Wenn die Kundalini-Energie sanft geweckt wird und sich im ganzen Körper verteilt, ist das Ergebnis ein tiefes Gefühl von innerem Frieden, Klarheit und einer unerschütterlichen Freude. Es ist das Erwachen zu der Tatsache, dass das Leben selbst die größte spirituelle Erfahrung ist. Die Erfahrung der Kundalini ist das höchste Ziel des Yoga – der inneren Vereinigung – und der unaufhörliche Weg des Herzens, den man in der Stille Nepals so tief erfahren kann. Das Wort Kundalini ist der Schlüssel zu diesem inneren Schatz, und das wahre Erwachen bedeutet, diese Energie als das eigene, strahlende Selbst anzunehmen.





