Zentrales Element in Nepal und Indien
Die besondere Verehrung der Kuh in Nepal ist ein zentrales Element im Hinduismus und prägt tief das kulturelle und alltägliche Leben in Indien und Nepal. Diese Hochschätzung wurzelt in der vedischen Ära und hat sich über Jahrtausende zu einem tief verwurzelten Glaubenssatz entwickelt. Die Kuh, oft als „Mutter“ betrachtet, da sie den Menschen lebenswichtige Gaben wie Milch spendet, gilt als Symbol für Fürsorge, Sanftmut und die Erde selbst. Ihre Unantastbarkeit ist in vielen Regionen nicht nur ein religiöses Gebot, sondern auch ein gesetzlich geschützter Zustand, der ihre zentrale Rolle in der Gesellschaft unterstreicht.
Religiöse und Mythologische Bedeutung
Im Hinduismus ist die Kuh mehr als nur ein Nutztier – sie ist ein heiliges Wesen. Die mythologische Figur der Kamadhenu, die wunscherfüllende Kuh, gilt als Urmutter aller Kühe und als Quelle des Wohlstands. Zudem ist der Stier Nandi das treue Reittier und der Wächter des Gottes Shiva. Der Gott Krishna wird selbst oft als Hirte dargestellt, was die enge Verbindung zwischen Gottheit und Rind unterstreicht. Die Kuh wird im Atharvaveda sogar mit Vishnu, dem Erhalter der Welt, gleichgesetzt. Diese Verankerung in den heiligen Schriften und Mythen des Hinduismus begründet ihren sakralen Status, der sie zu einem unantastbaren Tabu, oder aghnya, macht.
Die Fünf Heiligen Gaben der Kuh
Die Verehrung der Kuh basiert auch auf ihrem praktischen Nutzen in der traditionellen indischen und nepalesischen Gesellschaft. Hindus sprechen von den „Fünf Heiligen Gaben“ oder Panchagavya, die die Kuh dem Menschen schenkt. Dazu gehören Milch, die zu Joghurt (Lassi) und geklärter Butter (Ghee) verarbeitet wird; Kuhdung, der nach dem Trocknen als Brennmaterial und Dünger dient; und Kuhurin, dem in der Volksmedizin und bei sakralen Reinigungsritualen antiseptische und heilende Wirkung zugeschrieben wird. Diese Gaben zeigen, dass die Kuh nicht nur spirituell, sondern auch materiell als Lebensspenderin für die ländliche Bevölkerung unentbehrlich ist.
Die Kuh im Öffentlichen Leben und Straßenverkehr
Ein charakteristisches Bild in den Städten und Dörfern Indiens und Nepals sind freilaufende Kühe, die sich oft unbeeindruckt im Straßenverkehr bewegen. Dies ist eine direkte Folge ihrer Heiligkeit: Sie dürfen nicht vertrieben oder verletzt werden und genießen im Verkehr faktisch Vorrang. Oft sind diese Tiere nicht herrenlos, sondern werden von ihren Besitzern freigelassen, um sich selbst zu ernähren, indem sie Abfälle fressen. Die Kuh übernimmt so in städtischen Gebieten unfreiwillig eine Rolle bei der Beseitigung von verwertbarem Bio-Müll, was ihre Nützlichkeit für das Gemeinwesen zusätzlich manifestiert.
Gesetzlicher Schutz in Indien und Nepal
Der Schutz der Kühe ist in Nepal und vielen Bundesstaaten Indiens gesetzlich verankert. In Nepal ist die Kuh als Nationaltier anerkannt, und das Verletzen oder Töten gilt als Straftat. Auch in Indien verbieten viele Gesetze das Schlachten von Kühen, was ihre Unantastbarkeit über das religiöse Gebot hinaus festigt. Dieser Schutz führt allerdings auch zu sozialen Herausforderungen, insbesondere im Umgang mit alten oder kranken Tieren, und zu Spannungen mit Minderheiten, deren Kultur den Verzehr von Rindfleisch nicht tabuisiert. Organisationen und Gnadenhöfe (Gaushalas) setzen sich daher für das Wohlergehen der Tiere ein, die sonst in der Obhutslosigkeit der Städte leiden würden.
Feste und Rituale der Verehrung
Die tiefe Wertschätzung für die Kuh zeigt sich auch in jährlichen Festen und Ritualen. Im Rahmen von Dipawali (oder Tihar in Nepal), dem Lichterfest, wird ein Tag der Verehrung der Kuh gewidmet, die Gai Puja. Die Tiere werden rituell gewaschen, mit Blumengirlanden geschmückt und erhalten einen roten Punkt (Tika) auf die Stirn. Ein weiteres Fest ist Makar Sankranti, bei dem die Kühe für ihre Arbeit auf dem Feld geehrt werden. Diese Feierlichkeiten sind Ausdruck der Dankbarkeit und Verbundenheit der Hindus mit dem Tier, das sie als Verkörperung göttlicher Güte und als Stufen zum Himmel ansehen, deren Schutz ein gutes Karma für das nächste Leben verspricht.







